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Chronik von Sittendorf

Sittendorf ist nach Ansicht früherer Heimatforscher der Ort "abseits der Heerstraße" (an der Seite gelegen). Friedrich Lehmann leitet den Namen nach einer Urkunde von 1329 ab, wo es "Sytendorf" geschrieben wird, vom wendischen: "Siedlung im Süden gelegen", also das südliche Dorf. (Friedrich Lehmann: Geschichte der Stadt Kelbra, S. 48)
Andere leiten den Namen von side = tief liegendes Land oder sütte = Lache, Pfütze ab. "Wahrscheinlich ist es das Dorf eines Mannes Sitto" schreibt A. Berg in "Sittendorfs wechselvolles Schicksal" (Sghs. Zeitung vom 23. Juli 1938). Nach ihm ist das Dorf zwischen 531 und 800 zur Zeit der Frankenherrschaft gegründet.
Das ist ein sehr langer Zeitraum, der sich einengen lässt, wenn man bedenkt, dass die Franken kaum vor 785 in unserem Gebiet angekommen sind. Erst in diesem Jahr kapitulierte der sächsische Heerbann unter Widukind vor den Franken. Was zwar die Einstellung des organisierten Widerstandes bedeutete, aber noch lange nicht das Ende der Kämpfe. Deshalb muß man annehmen, daß die Franken erst nach dieser Zeit bei uns eingedrungen sind. Da die Siedlungen mit der Endung -dorf als fränkische Gründungen angesehen werden, kann Sittendorf kaum vor 800 entstanden sein.

Urkundlich wird Sittendorf erstmalig 1128 erwähnt. Nach dieser Urkunde erwarb der Probst des Domherrenstiftes Jechaburg den Slawenzehnt u. a. in den Dörfern Lindeschu und Sittendorf, den bis dahin das Erzbistum Mainz erhielt. Danach ist Sittendorf wenn nicht ganz, so doch teilweise mit Slaven besetzt, die am Ende des 11. und zu Beginn des 12. Jahrhunderts in der Aue auf Reichsland angesiedelt wurden. Sie sind sicher später in der hier bereits angesiedelten Bevölkerung aufgegangen.

Die Kirche des Ortes ist den heiligen Laurentius und Cyriax geweiht und wurde etwa im 12. Jahrhundert erbaut. Von der spätromanischen Kirche erhielt sich der Westturm mit Zeltdach und einem gekuppelten Schallfenster an der Nordseite. Das langgestreckte Schiff - im Innern mit hufeisenförmiger Empore und hölzerner Decke - entstammt wohl dem 18. Jahrhundert. Neben einem schlichten barocken Kanzelaltar und einer Sandsteintaufe vom Anfang des 17. Jahrhunderts ist die geschnitzte Madonnenfigur aus einem spätgotischen Altar (um 1500) nennenswert ("Der Kyffhäuser und seine Umgebung", S. 81).
Die Kirche wurde 1864 umfassend restauriert und erhielt ebenfalls 1864 eine Orgel von Orgelbauer J. Strobel sen. aus Bad Frankenhausen.
Die Kirche ist auf dem auslaufenden Hügel des Lindenberges erbaut. Südlich davon steht das Pfarrhaus mit den dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden. Dahinter nach Osten zu das Schulgebäude und die Lehrer- und Küsterwohnung. Zur Pfarre gehörten ca. 90 Morgen Acker und Wiese. 
Kirche und Turm standen inmitten des Kirchhofes, der bis zum Jahre 1864 als Begräbnisplatz diente.

Gegenüber den kirchlichen Gebäuden entstand schon frühzeitig ein Schafhof, die "Edelmannsscheune" genannt, heute eine Grünanlage an der Hauptstraße. Östlich von den geistlichen Instituten entstand ein zweiter Schafhof, die Gemeindeschäferei. Ein langer Schafstall mit Scheune und Ochsenstall an einem und einer Schäferwohnung am anderen Ende. Dazwischen siedelten sich breitere bäuerliche Gehöfte in zwei Reihen an. Die dazwischen entstehende Gasse ist die heutige Herrengasse. Hinter der zweiten Reihe nach Osten und Südosten zu entstanden weitere Ansiedlungen in sehr lockerer Form, die zwischen den Grundstücken entstehenden Lücken wurden durch Mauern und Hecken geschützt, die man "Lückewand" nannte. Weitere Ansiedlungen nach Süden zu, deren Gärten bis an den Graben reichten, die "Speckgasse", heute Sackgasse. Die Gehöfte, die sich nördlich der Gemeindeschäferei ansiedelten, erhielten die Bezeichnung "Cachstedt". Hier wohnten vor allem Hintersassen.

Dieser bisher beschriebene Teil des Dorfes dürfte als der älteste anzusehen sein. Es entstand auf höher gelegenem Gelände als der in späterer Zeit entstandene Teil des Dorfes, den man auf Grund seiner Lage wohl als in der slawischen Siedlungsperiode entstanden ansehen kann, da er förmlich im Sumpf liegt. Zwischen diesem und dem nun entstandenen Ortsteil liegt ein großer freier Platz, ehemals mit einem Ziehbrunnen, daneben ein großer Trog zum Tränken der Tiere. Der Brunnen wurde durch eine Pumpe ersetzt und der Platz wurde etwas kleiner durch die Anlage eines Kriegerdenkmals für die im ersten Weltkrieg gefallenen Söhne der Gemeinde.
Die Straße ist die Hauptstraße, die beide Ortsteile trennt.
Westlich der Straße entstand eine weitere Ortslage. In sie hinein führt die Schenkgasse, an deren Ende nach Süden zu die Klingelborngasse abzweigt. An der Ostseite dieser relativ schmalen Gasse entspringt der "Klingelborn", eine artesisch fließende Quelle, die wohl auch in den trockensten Jahren noch nicht versiegte.
Die Straße endet gleichfalls als Sackgasse, wo wiederum eine Quelle in einen kleinen Teich austritt. Auf dem Kartenblatt Kelbra von 1872 finden wir in unmittelbarer Nähe die Bezeichnung "Kleine Teichhof" und "Große Teichhof". Wird die Vorflut, der Siechengraben, vernachlässigt, haben die Bewohner dieses Teils mit stauender Nässe zu kämpfen.
Von der Schenkgasse biegt in nördlicher Richtung die Stiefelgasse ab, ebenfalls eine sehr schmale Straße, die wiederum als "Sack" endet.

Die gesamte Dorflage ist im Mittelalter wahrscheinlich durch Hecken, Zäune und an der Südwestseite durch das nasse Ried und Gräben geschützt gewesen. Nur zwei Tore führten aus dem Dorf. Das Drecktor im Süden und das Schaftor im Norden. Vom Schaftor, das sich dort befand, wo heute die "Neue Sorge" beginnt, also zwischen "Edelmannscheune" und Kirche, führte ein bedeutender Heerweg, der Rennweg, weiter über die Heide nach Brücken und Wallhausen. Durchs Drecktor führte die Verbindung zur Königsstraße Nordhausen - Tilleda.
Vom Schaftor führte ein weiterer Weg nach Hirschbach und Tilleda.

Außerhalb der Ortslage siedelten vom Schaftor in westlicher Richtung Bewohner eine Anzahl kleinerer Häuser an, die "Neue Sorge". Ihre Bewohner kamen evtl. aus den Nachbardörfern Nausitz, Lindeschu und Hirschbach, die wüst wurden.

Zur Zeit der Sachsenkaiser war Sittendorf Reichsgut und Zubehör des Königshofes Tilleda. Es kam 1290 als Reichslehen an die Grafen von Rothenburg-Beichlingen. Zu dieser Zeit mag auch in Sittendorf ein Adelssitz gelegen haben, obwohl die Bezeichnung "von Sittendorf" nur einmal nachgewiesen werden kann. Im Jahre 1340 wohnt eine Frau "von Sittendorf" in der Sackgasse in Nordhausen (A. Berg: Sghs. Zeitung vom 23.7.1938).

Aus der Grafschaft Rothenburg ging das Amt Kelbra hervor. Sittendorf ist Amtsgemeinde. 1348 kam Burg, Stadt und Amt Kelbra an die Grafen von Hohnstein. Diese residierten seit 1394 auf der Burg Kelbra und nannten sich deshalb Grafen zu Hohnstein-Kelbra. 1412 trat Graf Heinrich von Hohnstein-Kelbra Burg, Stadt und Amt Kelbra an die Markgrafen von Meißen ab, die diesen Besitz 1413 bis 1417 an die Grafen von Stolberg und Schwarzburg als Lehen abgaben. Burg, Stadt und Amt Kelbra gehörten nun Stolberg und Schwarzburg zu gleichen Teilen. Die Lehnshoheit behielt nach wie vor der Kurfürst von Sachsen. Schulden, Darlehnsgeschäfte und Pfandverschreibungen der Stolberger führten zu weiteren Zugeständnissen an Schwarzburg. 1592 gelangten diese deshalb in den pfandweisen Besitz der stolbergschen Hälfte. Von da an waren Burg, Stadt und Amt im alleinigen Schwarzburger Besitz. Sachsen hatte weiterhin die Hoheitsrechte, die König Friedrich August nach dem Wiener Kongress am 15. Juni 1815 an Preußen abtreten musste.

Nach dem Staatsvertrag vom 19. Juni 1816 kaufte Preußen den Anteil von Schwarzburg und am 1. März oder 20. April 1819 fand die förmliche Übergabe an Preußen statt. Stolberg hatte seine Ansprüche auf den an Schwarzburg verpfändeten Teil nicht aufgegeben und forderte ihn von Preußen zurück. Die Hauptverträge vom 10. und 24. Dezember 1835 schlossen die Verhandlungen ab. Das Amt Kelbra kam an die Grafschaft Stolberg-Roßla, später Fürstentum Stolberg-Roßla, das damit die grundherrlichen Rechte auf Kirche, Schulen, Straße und Wege, Polizei u. a. erhielt. Einen Teil dieser Rechte musste Roßla 1884 wieder an Preußen abtreten. Die Schulhoheit behielt es bis 1932, auch das Kirchenpatronat. Bis zu dieser Zeit entschied der Fürst, wer in Sittendorf Pfarrer oder Kantor wurde.

Am Bauernkrieg 1525 haben sich auch Sittendorfer Bauern beteiligt und haben in "Der Goldenen Aue (mit) gelärmt und gestürmt". Nach der Niederlage der Bauern wurden die Sittendorfer mit einer Strafe von 40 Gulden belegt. Da die Sittendorfer aber nicht zahlen konnten, stellten der Schultheiß Hans Günther, der Vormund Kersten Libau und die ganze Gemeinde ihren gnädigen Herren, dem Grafen Günther dem Jüngeren von Schwarzburg und Botho von Stolberg, einen Schuldbrief aus: "Der ehrbare und vheste Heinrich Hagke zu Tulleda wohnend bekrefftigt und vorpitzschisert den briff".

Im Dreißigjährigen Krieg erlitt Sittendorf das Schicksal aller Amtsgemeinden. Einquartierungen, Plünderungen bis auf das Letzte machten die Bewohner arm. 1587 zählte der Ort etwa 42 Hauswirte und somit ungefähr 200 Einwohner. Allein im Pestjahr 1626 starben in Sittendorf 157 Personen (Allgem. Anz. für die Grafschaft Roßla v. 29.9.1877).
1673 fordert die Schwarzburger Regierung Frankenhausen von den Amtsgemeinden Frondienste, die allgemein verweigert werden. Darauf droht Frankenhausen mit strengen Maßnahmen. Die Dörfer versuchen sich auf dem Prozesswege von den Fronen zu befreien. 1702 schließt schließlich die Regierung mit den Amtsdörfern einen Vergleich, der aber die Fronen nicht ganz abschafft (Lehmann, Geschichte Kelbra).

Während der bürgerlichen Revolution im Jahre 1848 wurde auch in Sittendorf eine Bürgerwehr gebildet. Eines Tages zog diese vor das gräfliche Schloss in Roßla. Sie wurde vom Grafen und dessen Kammerdirektor empfangen. Auf die Frage, was die Sittendorfer wünschen, entgegneten sie: "Wir wollen nicht separieren!" Die Antwort war: "Wenn ihr nicht separieren wollt, kann euch keiner dazu zwingen." Nach vier Jahren war für die Gemeinde die Separation abgeschlossen, die sich am Ende als vorteilhaft für das ganze Dorf erwies.
Die Fläche und der Wert der separierten Fluren betragen 1863 nach den Vermessungs- und Bonitierungsregistern sowie nach den Rezessen: 2481 Morgen = 140315 sgl. (sächsische Gulden). Das Anbauverhältnis auf den Ländereien beträgt etwa 30 % Rüben, 20 % Roggen, 10 % Weizen, 10 % Hülsenfrüchte, 10 % Hafer, 5 % Gerste, 5 % Futterkräuter und 10 % Kartoffeln.

Nach der Volkszählung von 1863 hat Sittendorf 424 Einwohner. 1867 sind es 421 Einwohner. Am 1. Dezember 1871 wurde erneut gezählt. Dabei hatte Sittendorf 88 Wohnhäuser und 89 Haushalte. Es hatte aber nur noch 394 Einwohner, 28 weniger als 1867. Die Veränderung beruht darauf, dass vielfach Auswanderungen nach Amerika stattgefunden hatten.

Am 1. Januar 1873 wurde eine Viehzählung durchgeführt. Es wurden in unserem Ort gezählt: 37 Pferde, 148 Rinder, 522 Schafe, 168 Schweine, 107 Ziegen und 2 Bienenstöcke.

1875 erfolgt erneut eine Volkszählung, bei dieser wurden 376 Einwohner in Sittendorf gezählt.

Die wirtschaftliche Struktur des Ortes wurde von alters her durch die Landwirtschaft bestimmt. Bis zum ersten Weltkrieg war er vor allem durch die Schafzucht bekannt. Die Wolle wurde zu sogen. "Steinen" (Bündel zu 22 Pfund) verpackt und zur Vermarktung nach Weimar gebracht. Außer vier Schafhirten zogen bis zur Separation auch die Kuh-, Schweine- und Gänsehirten von Mai bis Oktober mit ihren Herden in den Wald, auf die Stoppel oder in die Wiesen.

Außer Ackerbau und Viehzucht wurden auch verschiedene Handwerke betrieben. Allein fünf Leineweber, Schneider, Schuhmacher, Sattler, Stellmacher und Schmied, die den Meistertitel führten, waren in Sittendorf ansässig. Es gab aber keine Fleischerei und keinen Weißbäcker. Die Hausschlachtungen besorgte ein gelernter Maurer, der sich das Schlachten "angenommen" hatte. Die Brotbäckerei besorgte ein Bäcker, der auch die Gemeindeschänke bewirtschaftete, wobei auch ein kleiner Krämerladen mit betrieben wurde. Zweimal in der Woche wurde der Backofen angeheizt, dann wurde Brot gebacken und der so beliebte Aschkuchen (Aufz. von Sebaldus Becker im Manuskript).

Die Gemeinde Sittendorf hat am Nordhang des Kyffhäusers ca. 200 Morgen Waldbesitz, der aber in Thüringer Landesgebiet liegt. Über Jahrhunderte war der Wald als Niederwald bewirtschaftet. In neun "Schläge" eingeteilt, erhielt jedes berechtigte Haus jedes Jahr eine bestimmte Anzahl Holzwellen. Die beiden im Gemeindewald befindlichen Granitsteinbrüche, an der Teufelsmauer und im Bornetale, deren Steine im vorigen Jahrhundert zur Beschotterung fiskalischer Straßen und beim Bau der Eisenbahn Halle-Kassel bevorzugt wurden, brachten der Gemeinde über viele Jahre gute Einnahmen und den dort beschäftigten Arbeitern Tagesverdienste von 2 bis 3 Mark (ebenda).

1916 erhielt die Gemeinde die Verbindung an die großen Bahnlinien durch die Inbetriebnahme der Kyffhäuser-Kleinbahn. Um diese Zeit erhielt der Ort auch elektrisches Licht.

Auf den Schlachtfelder des 1. Weltkrieges blieben von Sittendorf 23 Gefallene und Vermisste.
1932 hat der Ort 400 Einwohner.
Im zweiten Weltkrieg verlor die Gemeinde 30 Väter und Söhne.
Die Bodenreform hatte keine Auswirkungen auf Sittendorfs Landwirtschaft. Lediglich etwa 40 Morgen Acker, die einer arternschen Bank gehörten, wurden an sechs Landarbeiter, sieben Kleinpächter und 17 landarme Bauern aufgeteilt.
1955 wurde die LPG Typ III "Pionier" gegründet. Sie zählte 1958 11 zusammengeschlossene Betriebe mit 30 Mitgliedern, die 206 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschafteten.
Einwohner hat Sittendorf 1958 409, davon sind 192 männlich und 217 weiblich.
Die Gesamtfläche der Gemeinde beträgt 6,2 qkm, die Bevölkerungsdichte je qkm 66 Personen.
1960 wurde die LPG Typ I "Kyffhäuserland" gegründet. Das Dorf war "vollgenossenschaftlich".
1963 hat Sittendorf noch 374 Einwohner, davon 168 männlich und 211 weiblich. Die Bevölkerungsdichte beträgt 61 Personen je qkm (Stat. Taschenbuch Krs. Sghs. 1958/63).

Durch Beschluss der Gemeindevertretung von Sittendorf und der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kelbra wurde die Gemeinde Sittendorf 1972 nach Kelbra eingemeindet.
1974 schlossen sich auch beide LPG Sittendorfs mit der LPG Typ III "Ernst Putz" in Kelbra zusammen.

1993 wurde der Ort an die zentrale Wasserversorgung der Stadt Kelbra angeschlossen.

Gegenwärtig (1994) hat Sittendorf 220 Einwohner.

(Quelle: Friedrich Rößler, Tilledaer Str. 9, 06537 Kelbra, abgeschlossen 15.06.1994)

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