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Presseberichte


31.10.2010

Hungrige Vögel sorgen für Totalschäden auf Feldern


Vögel am Staussee Kelbra. (FOTO: MZ)

KELBRA/HERINGEN/MZ. Um die zehntausend Kraniche zählen die Ornithologen in dieser Jahreszeit beinahe täglich am Helmestausee in Kelbra. Energie für ihren Weiterflug holen sich die Vögel auf abgeernteten Mais- und Getreidefeldern. Dort finden sie in ausgefallenen Körnern ihre Nahrung. Um die 200 bis 300 Gramm frisst ein Kranich täglich. Doch auch frisch bestellte Felder finden die geschützten Tiere anziehend. Ein Fakt, den die Bauern nur ungern sehen.

Frank Kolditz, Geschäftsführer der Landwirtschafts GmbH Kelbra, spricht von einem enormen Schaden für sein Unternehmen. Insgesamt 1 500 Hektar Fläche bewirtschaftet die Firma nach eigenen Angaben in der Region. "Die Vögel fliegen bis Sittendorf und fressen die Herbstaussaat", schimpft er. Bloß gegen die Lobby der Vogelfreude habe man keine Chance. Auf der benachbarten Thüringer Seite des Stausees versuchen die Bauern deshalb, die Vögel mit so genannten Ablenkfütterungen von den Saaten fern zuhalten. Sie stellen Flächen zur Verfügung, auf denen Körner ausgebracht werden.

Knapp 15 000 Euro gibt der Kulturbund für Europa in diesem Jahr den Bauern im Landkreis Nordhausen als Aufwandsentschädigung. Die Agrargenossenschaft Heringen beteiligt sich an den Fütterungen. "Die Tiere richten aber trotzdem immensen Schaden auf den Feldern an", weiß Helmut Enzenberg von der Agrargenossenschaft. Denn das eigentliche Problem sieht der Landwirt in der Masse der Tiere und bringt es auf eine einfache Formel: Wenn immer mehr Tiere kommen, benötigen die auch immer mehr Futter. Die Agrargenossenschaft ist mittlerweile dazu übergegangen, die Flächen, die unmittelbar am Gewässer liegen, eher zu bestellen. "Das Getreide keimt so bereits, wenn die ersten Vögel auftauchen", sagt Enzenberg. Doch auch davon ließen sich die Kraniche nicht beeindrucken. Sie suchten sich immer entferntere Felder.

Die Agrarproduktion Goldene Aue in Görsbach macht deshalb in diesem Herbst erstmals bei den Ablenkfütterungen nicht mit. Denn für Geschäftsführer Wolfgang Benkstein ist das Vogel-Vesper ein zweischneidiges Schwert: "Wir dachten viele Jahre, wir tun etwas Gutes. Doch mittlerweile sind wir der Meinung, dass wir mit dem Futterangebot immer mehr Kraniche anlocken und das Problem vergrößern. Dazu kommt, dass die Tiere auf der Futterfläche im vergangenen Herbst einen Totalschaden angerichtet haben. Und für den Ausfall müssen wir allein aufkommen", so Benkstein.

Tatsächlich hat sich der Stausee in den vergangenen Jahren zu einem der wichtigsten Kurzzeitrastplätze für Kraniche in Deutschland entwickelt. Vogelkundler zählen jetzt im November Spitzenwerte von bis zu 40 000 Tieren täglich. Über die genauen Ursachen sind sich die Ornithologen noch nicht ganz sicher. Doch in den zusätzlichen Fütterungen sieht Kranichforscher Professor Hartwig Prange aus Halle keinen Grund. "Neben den Vögeln aus Skandinavien kommen immer mehr Kraniche aus Polen und dem Balkan zu uns. Die haben gemerkt, dass die Strecke kürzer und sicherer ist. Auf dem Balkan werden Kraniche oft abgeschossen", sagte Prange. Zudem hätten Deutschland und auch Frankreich, wohin die Kraniche weiterziehen, viele Maisfelder. 

31.10.2010
Copyright: Mitteldeutsche Zeitung

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