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Presseberichte


20.01.2011

Reste eines alten Stadttores entdeckt


Bodendenkmalpfleger Dieter Bauer (links) zeigt Olaf Kürbis den geborgenen Schädel. (FOTO: STEFFI ROHLAND)

KELBRA/MZ. Die Straßenbauarbeiten in der Langen Straße bringen weitere interessante archäologische Funde ans Tageslicht. Aus einer Skizze in der Chronik der Stadt Kelbra aus dem Jahr 1900 wusste man, dass im Straßenbereich vor der ehemaligen Weinkelterei Heller ein Stadttor, dass so genannte Seigertor, gestanden hat.

Der Stadtchronist und ehemalige Bürgermeister Friedrich Lehmann (1855-1903) vermerkte in der Chronik: "Das Stadtthor in der Langenstraße nach Altendorf zu, das Seigerthor genannt, kam am 15. Januar 1817 zum Abbruch." Am vergangenen Dienstag kamen fast auf den Tag genau nach 194 Jahren Reste des Stadttores, in einer alten Akte auch "Altendorfer Tor" genannt, wieder ans Tageslicht.

Weil in diesem Bereich auch eine Kirche vermutet wird, rechnete man mit mehreren Bestattungen in dem Bereich. Deshalb wurden die Bauarbeiten im Fahrbahnbereich von dem ostansässigen Bodendenkmalpfleger Dieter Bauer genau beobachtet. Schon am Montagabend fand er im Aushub die Reste eines Kinderskeletts.

Wenig später verriet das Profil im Graben, dass der hier vermutete Stadtgraben geschnitten wurde. Olaf Kürbis, zuständiger Gebietsreferent des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie in Halle, blickte am Dienstagnachmittag zunächst etwas skeptisch auf den entstandenen Graben. Die Bodenverfärbungen waren wirklich nur für geübte Augen zu erkennen. Schon fast sicher, schweifte sein Blick über die Mauer des gegenüberliegenden Gebäudes. Da hellte sich seine Miene auf. "Ja, das ist der Stadtgraben", sagte er überzeugt. Amüsiert stellte er fest: "Was doch Gebäuderisse mit Archäologie zu tun haben!" Das auf dem verfüllten Graben errichtete Gebäude hat nämlich seinem Erbauer schon recht schnell Sorgen bereitet: An der Stelle, wo sich die Erde im Graben setzte, bildeten sich Risse in der Mauer. Diese wurden sofort mit Scherben und kleinen Steinen ausgeflickt. Soweit wie die Risse auseinander liegen, kann man auch im entstandenen Kanalgraben die Breite des ehemaligen Stadtgrabens feststellen. Bei der nun einsetzenden baubegleitenden Notbergung fand außerdem ein Loch mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern und einer Tiefe von rund einem Meter das besondere Interesse des Archäologen und der Bodendenkmalpfleger. Am Rand des Loches befanden sich vermutlich Reste von verkohltem Holz. "Vielleicht war hier ein Brückenpfeiler", vermutete Bodendenkmalpfleger Heinz Noack, der die Notbergungsarbeiten zusammen mit Dieter Bauer auch an den folgenden Tagen weiterführte.

Beim Reinigen der Grabenwand entdeckt Olaf Kürbis außerdem einen Gipsbrocken mit Rutenabdruck und einen metallischen Gegenstand. Seine spontane Vermutung, dass es sich dabei um ein Hufeisen handeln könnte, bestätigte sich. Vielleicht brachte ausgerechnet dieser Fund dem Archäologen und seinen ehrenamtlichen Helfern etwas Glück: Denn nur wenige Meter davon entfernt stieß der Baggerfahrer auf große Steine, die genau in der Flucht der Stadtmauer liegen. Das sorgfältige "Putzen" mit der Baggerschaufel ermöglichte das Messen des Abstandes zur gegenüberliegenden Mauer. Auch hier brachte genaueres Hinsehen eine erstaunliche Entdeckung: Der heute noch etwas überstehende Eckpfeiler neben dem Haus Lange Straße 48 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit die nördliche Torwange des "Seigerthores". Die untersten Steine sind relativ glatt, aber im oberen Teil wurde vermutlich das ansetzende Torbogengewölbe abgeschlagen. So nutzte man diesen Teil einfach als Mauer weiter. Diese hat übrigens noch eine Höhe von rund fünf Metern und ist über einen Meter dick. Wie groß die Durchfahrtsbreite des Tores war, kann man leider nicht mehr feststellen. Der in rund drei Metern Entfernung entdeckte Mauerrest zeigte nach dem Putzen überraschender Weise Spuren von Wagenrädern. Einen Stein davon legte Baggerfahrer Steffen Kühne vorsichtig beiseite. Rolf Trischler, Vorsitzender des Kelbraer Geschichtsvereins, und Gemeindearbeiter Gert Franke transportierten ihn ins Heimatmuseum. Dank der Zusammenarbeit mit den Bauleuten waren bereits im vergangenen Jahr altes Straßenpflaster und Brandschichten gesichert worden. 

VON STEFFI ROHLAND, 20.01.11

Copyright: Mitteldeutsche Zeitung

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