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Presseberichte


14.03.2011

13 Stufen in die Vergangenheit

- Bauhistoriker Schmitt sieht in Mauerresten auf dem Hof des alten Schlosses Hinweise auf die Wettiner. Burgreste offenbar älter als angenommen -


Reinhard Schmitt (li.) bestätigt die Vermutung des Archäologen: Die Mauern sind älter, als bisher angenommen. (FOTO: MZ)

SANGERHAUSEN/MZ. "Diese Funde stellen neue Fragen an die Mittelalterhistoriker", sagt Reinhard Schmitt vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie in Halle. Es ist ein schwerwiegender Satz des renommierten Bauforschers. Denn diese Aussage trifft er nach einer Besichtigung des Grabungsareals am Alten Schloss in Sangerhausen, wo für die Kreismusikschule Mansfeld-Südharz ein Konzertsaal entstehen soll.

Seit einigen Wochen geht hier der promovierte Archäologe Matthias Sopp mit vier Grabungshelfern in der Tiefe auf Spurensuche. Das archäologisch fast unberührte Terrain ließ auf alte Mauern hoffen. Aber was er zusammen mit den Bauarbeitern bisher gefunden und mit seinem Grabungsteam Stück für Stück unter den Erdschichten nach Jahrhunderten wieder ans Tageslicht bringt, ist schon eine kleine Sensation. 13 sehr gut erhaltene Stufen führen in einen Keller und damit in die Vergangenheit. Dank der Umsichtigkeit des Baggerfahrers Andreas Otto ist sogar das Eingangsportal noch intakt.

Was der Archäologe Matthias Sopp "geahnt" hat, bestätigt Reinhard Schmitt: Die erhaltenen Kellermauern mit Gewölbeansatz, Stufen, Eingangsportal und Mauernischen deuten auf ein Bauwerk des 12. / 13. Jahrhunderts hin. Bis in die Romanik reicht das Mauerwerk zurück. Es ist die Zeit der Ludowinger. "Je mehr Keilsteine umso älter", sagt Reinhard Schmitt. Dabei zeigt er auf den Bogen des erhaltenen Kellerportals. Er sucht nach weiteren Anhaltspunkten - und entdeckt einen Rest glatten Putz. "Das ist keine banale Bebauung", sagt der Burgen-Fachmann.

Somit spricht es dafür, dass die Wettiner in Sangerhausen einen vorhandenen Bau übernommen haben. Bisher glaubte man, dass die Burg erst Mitte des 13. Jahrhunderts angelegt wurde. Ausgangspunkt der Grabung war das überlieferte Zeughaus, welches in unmittelbarer Nähe des "Hexenturms"" stand. Unter Schutt und Asche der Geschichte - in dem Gebäude hat es im August 1946 gebrannt - wurden zahlreiche Funde geborgen. Darunter befindet sich neben zahlreichen Beschlägen von Möbeln auch ein Säbel, der zur ehemaligen militärischen Einrichtung des Zeughauses passt. "Aber das ist ja alles neues Zeug`s", sagt der Archäologe. Dessen Augen beginnen zu leuchten, als er die älteren Keramikfunde zeigt: Rote, beige und grau-blaue Scherben, teilweise mit Fingernageleindrücken verziert, füllen bereits viele Fundtüten. Auch hier erwies sich der Bereich um den Keller als sehr Reich an Funden.

Stolz zeigt Matthias Sopp auf die ausgesuchten Fundstücke. "Sie sind älter als erwartet", sagt er. Außergewöhnlich sind die verzierten Scherben eines Gefäßes, das der Archäologe als "Aquamanile" deutet. Das Keramikgefäß hat als Ausgusstülle einen stilisierten Pferdekopf und ist mit Stempelabdrücken verziert. "Das findet man nicht alle Tage", sagt Sopp. "Es weist auf eine begüterte Schicht hin."

Auch der zuständige Gebietsreferent Olaf Kürbis vom Landesamt für Archäologie ist über die zahlreichen mittelalterlichen Keramikfunde überrascht und erfreut. "Hier kommen mehr mittelalterliche Funde ans Tageslicht, als es bisher in der ganzen Stadt gab", sagt er.

Durch den weitergehenden Musikschulbetrieb kommen auch immer wieder interessierte Bürger auf das Gelände. Der Archäologe Matthias Sopp freut sich über das rege Interesse der Sangerhäuser, welche die Grabung beobachten. "Das ist keinesfalls immer so", sagt er. Aber nicht nur das aufgedeckte Mauerwerk gibt ihm Rätsel auf: Auch genietete gabelförmige Metallteile und Bohrer fand man hier gleich mehrfach. "Wozu diese Sachen gedient haben, wissen wir nicht", sagte Sopp. Eines sollte auch schon klar sein: Bei der Einweihung des neuen Konzertsaales hat der Archäologe für diese wichtigen Funde ein mittelalterliches Lied verdient. Der baubetreuende Architekt überlegt jedenfalls schon, wie er die alten Mauern mit dem Portal am Besten für die Nachwelt erhalten kann.

VON STEFFI ROHLAND, 14.03.11

Copyright: Mitteldeutsche Zeitung

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