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Barbarossas Einzug auf Burg Kyffhusen

Ein wilder Sturm brauste um das alte Gemäuer von Kyffhusen. Wenige Mannen nur des Herrschers hielten hier oben in Einsamkeit die Wacht; denn ihr Kaiser war auf dem Kreuzzug ins gelobte Land. Lange Zeit schon war keine Kunde mehr von ihm zu den treuen Wächtern gedrungen. Mehr und mehr nahm der Sturm an Furchtbarkeit zu, und endlich war's, als ob er die zinnengekrönte Burg in Trümmer zu werfen gedächte. Des Kaisers Mannen waren im Saale versammelt. Sonst wacker und furchtlos, fühlten sie doch ein geheimes Bangen vor der ungestümen Naturgewalt, und leise Gebete murmelnd, standen sie in dem großen Räume umher. Unter ihnen war auch Barbarossas einstiger Knappe, der alte lahme Peter. Der lauschte dem grimmen Toben des Sturmes und schaute, für sich allein in einer Fensternische lehnend, regungslos in die Nacht hinaus. Mit einem Male fuhr er hastig herum, lüftete schier ängstlich seine Kappe und wandte sich an die anderen. Die Hand von sich streckend, sprach er eindringlich und beschwörend: „Betet. Leute, betet alle! Unserm edlen Kaiser droht Verderben. Hört ihr's? Ist's nicht, als ob eine Wasserflut mächtig und heimtückisch brüllend rausche? Betet alle, daß unser guter Kaiser unversehrt heimkehre aus fremden Landen! Daß er nicht ertrinke im wilden Meere!'' Der Alte schwieg, und alle standen schweigend, die Hände zum Gebet gefaltet. Wehe, da barsten die kleinen, runden Fensterscheiben und mit unwiderstehlicher Gewalt raste der furchtbare Sturm durchs weite Gemach. Er packte die alten Banner an den Wänden, daß sie gleich riesigen scheuen Vögeln hin und her flatterten und klatschend ans Gemäuer schlugen. Er riß das alte Gewaffen herab, daß es dröhnend und klirrend zu Boden stürzte. Er fuhr durch die Saiten der stillen Harfe des Barden und sang auf ihr ein wildes, mißtöniges Lied. Alle Kerzen erloschen, und den bangenden Mannen war's, als ob graue Schattengestalten der Vorzeit wehklagend durch die Räume schwebten. Moderluft stieg aus der Tiefe, und ein unheimliches Raunen vernahm man allenthalben. Solchermaßen schlich Stunde um Stunde dahin, und den Männern deuchte es eine halbe Ewigkeit, bis endlich im Osten der Tag graute. Da die Sonne leuchtend emporstieg, legte sich der wilde Sturm, und der nächtliche Spuk entwich. Der alte Peter fand zuerst die Sprache wieder. „Betet!" flüsterte er noch einmal beschwörend. Da zog ein heimliches Flüstern, gleich leisem Antwortgeben, durch die verwüstete Halle. Stumm und in schweren Gedanken gingen die Männer auseinander. - Um die nämliche Stunde lag Kaiser Rotbart am Ufer des Kalykadnus im fernen Morgenland bleich und still und sah den lichten Tag nicht mehr. Wehklagen erscholl durch sein ganzes Heer, und alle Ordnung löste sich auf. Im Sturmeswehen auf Kyffhausen hatte der alte, treue Knappe die Totenklage des Heeres vernommen. - Just um dieselbe Stunde aber auch öffnete sich der Kyffhäuserberg. Zwerg Alberich erschien in der dunkel gähnenden Kluft und spähte ernsten Angesichts angestrengt in die Ferne. Und siehe, da nahte geisterhaft und schweigend ein mächtiger Heereszug, dem voran die Leiche des großen Kaisers auf dichtverhüllter Sänfte getragen ward. Die setzte man vor des Berges düsterer Öffnung nieder. „Willkommen, Herr!" sprach Alberich still und danach entschwand der Geisterzug mit der umflorten Sänfte in des Berges dunkler Tiefe.

Dort sitzt Barbarossa nun an seinem steinernen Tische; das Haupt im Schlafe auf die Hand gestützt. Still ward es in den Hallen seiner Burg, die bald in Trümmer sank. Dann flogen schwarze Rabenschwärme krächzend um den verödeten Berg.

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