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Der Schäfer

Auf dem Kyffhäuser hütete einst ein junger Schäfer, der hatte auch viel gehört vom Kaiser Friedrich und dachte bei sich, daß er ihn wohl einmal sehen möchte. So pfiff er ein höfliches Liedlein auf seiner Schalmei vor sich hin. Mit einem Male rauschte es nahe bei den Büschen, und über einer Felsklippe ward das Haupt eines ehrwürdigen Greises sichtbar; der rief mit milder Stimme: „Knabe, sprich, wem du mit deinem Liedlein hofierst hast?" Und der Junge besann sich nicht lange, sondern antwortete: „Das hat Kaiser Friedrich gegolten!" „So komm mit mir, daß er es dir auch lohne!" sprach da die Gestalt, und der Hirte folgte ihr nicht ganz ohne Zagen. Alsbald ging es viele Stufen abwärts, bis an eine metallene Tür, die mit hellem Krachen aufsprang. Da sah nun der Schäfer eine große, mächtige Halle voller Gold und Edelsteine, Wehr und Waffen, auch eine Schar stattlich gerüsteter Ritter, die sich alle tief vor ihrem Herrn neigten. Da merkte der Schäfer, daß der alter Rotbart selbst sein Bergführer war und erschrak nicht wenig darüber. Doch der Kaiser sprach ihm Mut zu und sagte zu seinem Hofgesinde: „Dieser Knabe hat uns geehrt." Zeigte ihm darauf allen Glanz und alle Pracht der Halle, kostbare Gewaffen und Truhen voll Gold: dann fragte er den Hirten, welchen Lohn er begehre. Dieser erwiderte: "Keinen!" Da brach der Kaiser den Fuß von einem Handfaß ab, reichte diesen dem Jungen dar und sprach: „Nimm das und gehe! Sage auch droben, daß, wenn die Zeit sich erfüllt hat, der Herr uns lösen wird aus diesem Banne. Dann soll das Reich frei und das heilige Grab aus der Türken Hand erlöst werden." Der Hirt kam zur Oberwelt zurück und der Berg hatte sich wieder geschlossen. Der Fuß des Handfasses aber war von lauterem Gold.

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