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Haare aus des Kaisers Bart

Im Dorfe Tilleda, am Fuße des Kyffhäusers, waren junge Mädchen und Burschen in der Spinnstube beisammen. Es wurde erzählt und gesungen, gelacht und gescherzt, und endlich setzten die Mädchen ihre Rädchen beiseite, um ein Pfänderspiel zu beginnen. Eines von den Mädchen aber war nicht recht beliebt im ganzen Dorfe, darum man ihm bei jeder Gelegenheit etwas anzuhängen suchte. So sollte es auch diesmal geschehen. Die jungen Burschen hatten vorher unter sich verabredet, daß der, welcher die Pfänder einsammelte, jedesmal den anderen ein Zeichen geben sollte, wenn ein Pfand, das jenem Mädchen gehörte, zur Auslösung kam, und allerlei Teufelszeug sich ausgedacht, was sie alsdann zu tun ihm auferlegen wollten. Daher mußte das Mädchen nun, um seine Pfänder wiederzubekommen, allerlei schnurrige Dinge verrichten, und ums letzte Pfand sollte es gar hinaufgehen aufs Kyffhäuserschloß und zum Zeichen, daß es droben gewesen, dem Kaiser Friedrich drei Haare aus dem Bart rupfen und sie mit herunterbringen. Das Mädchen mochte wohl merken, daß man es aus der Gesellschaft los sein wollte, und ging; doch hatte es ein Pfand gegeben, das es nicht im Stich lassen wollte. Niemand dachte mehr an es. Als aber eine gute Stunde vergangen war, so trat es wieder in die Stube ein, drei lange, brennend rote Haare in der Hand. Staunend schauten alle bald auf die Haare, bald auf es. Es war kein Zweifel: die Haare waren aus des Kaisers Bart! Das Mädchen hatte ihn gesehen und gesprochen und sich die Haare nehmen dürfen; nur war ihm anbefohlen worden, sie immerdar heilig aufzubewahren. Solches tat es denn auch und verschloß die Haare, sorgfältig in ein großes Papier gewickelt, in seiner Lade. Wohl ein ganzes Jahr war vergangen, ohne daß es wieder an die Haare gedacht. Wie es nun aber eines Tages wieder in seiner Wäsche herumkramt, kommt’s ihm in den Sinn, doch auch einmal nach des Kaisers Barthaaren zu sehen. Es nimmt das Papier zur Hand; aber siehe, das ist so schwer, daß es es kaum aus der Lade zu heben vermag. Es schlägt es hurtig auseinander und findet die drei Haare aus des Barbarossas Bart in zolldicke Goldstangen verwandelt.

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