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Das Heckerloch

Wie zogen sie einst von fern und nah am Peterpaulstag mit jungen Beinen und mit krummen Rücken aus allen Nordthüringer und Südharzer Ortschaften auf dem Kyffhäusergipfel, um in der Kreuzkapelle Ablaß zu kaufen. Hinker, Taube, Blinde, Pesthafte, sogar Flücher, Säufer und Grobiane genasen zusehends. All das bewirkte vom Kreuze des Heilands ein Splitterchen, das größte Heiligtum in der Kyffhäuserkapelle. Doch eines schönen vorletzten Junitages suchte das Volk umsonst nach Altar und Splitter, nur öde Mauertrümmer starrten ringsum. Da zogen die meisten Waller betrübt bergab. Im Ostchor hockten allein noch der arme Hecker aus Tilleda und Mutter Christel aus Sittendorf, während im nahen Friedhof drei Hackpfüffeler Bauern würfelten. Plötzlich gewahrten diese fünf einen Mönch mit knielangem Weißbarte und dickem schwarzem Buche. Jener zog mittels Krummstab um sich und sie einen Kreis, las aus dem Buche, schlug dreimal die Erde: „Berg, tue dich auf!" Da grollte der Berg und zog sie wie einem Drehloche tief und tiefer bis an eine verriegelte Pforte. Kaum hielt der Mönch eine Springwurz vor, sprangen die Riegel, betrat man eine fackellichte Kapelle und sah das heilige Splitterchen. Da knieten sie alle andächtig. Schon begann der Mönch, jetzt im Meßgewande, mit Gesang das Hochamt, wozu aus unsichtbaren Kehlen vielfaches Echo erklang. Als er einen Kelch an seinen Mund setzte, weitete sich ein Spalt und sie sahen fern den Kaiser Friedrich schlafen. Nur ein Weilchen, dann schloß sich der Spalt lautlos wie ein Heiligenschrein, der Mönch aber verteilte unter die fünf Andächtigen einen Pferdekopf und Keulen und einen Abendmahlskelch aus Buchsbaum, schlug neunmal den Boden: „Berg, heb sie auf!" Da grollte der Berg und hob die Leute empor, bis sie verdutzt in der Kapellenruine standen. Hatten sie an einem Sommertage den Gipfel erstiegen, so sahen sie jetzt umher Maienblüten und hörten rings Liebeslieder der Vögel. Dreiviertel Jahre lang waren sie im Berge gewesen. Die Märenkeulen warfen sie weg, doch nahm ein Pfüffeler den Pferdekopf mit, schob ihn daheim seinem Frauchen unters Kopfkissen, um sie zu erschrecken, erschrak aber selber, da es ein Klumpen Gold geworden war. Nicht minder wunderlich verwandelte sich dem armen Hecker in Tilleda das Holz des Kelches zu Silber. Er stiftete drum den Kelch seiner Kirche, kroch jedoch heimlich noch oft auf dem Berge ins Heckerloch.

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